Die Orgel für Großrudestedt wurde am 19. Juni 1907 bei der Orgelbaufirma E.F. Walcker & Cie. in Ludwigsburg bestellt und rund fünf Monate später, am 23. November 1907, ausgeliefert. Wir können davon ausgehen, dass die Orgel problemlos an den kommenden Weihnachtsfeiertagen ihre Dienste tat.
Die ungewöhnlich rasche Liefer- und Einbauzeit dieser Orgel war der gut eingespielten Belegschaft von rund 150 Mitarbeitern zu verdanken, die mit 10 – 12 Arbeitsstunden täglich enorme Leistungen vollbrachten. Tatsächlich wurden von 1901 – 1914, also zu Beginn des Ersten Weltkriegs, über 1.120 Orgeln von der Firma Walcker in Kirchen auf allen Erdteilen eingebaut. Die Firma Walcker war damals der größte Orgelbauer Europas.
Oscar Walcker war zu dieser Zeit die treibende Kraft, die auf technologische Entwicklung und höchste künstlerische Vollendung hinarbeitete, indem er enge Kontakte zu Komponisten und Organisten suchte. Er übernahm mit seinem Onkel Eberhard Walcker ab 1906 die Firma und brachte in der kommenden Zeit der Wirtschaftskrisen und Weltkriege neue Impulse in den deutschen Orgelbau ein.
Das klangliche Konzept des Orgelbaus vor 1914 war spätromantisch geprägt und fand seinen Höhepunkt in der Gestalt der Walcker-Orgel in der Hamburger Michaeliskirche. Bei diesem spätromantischen Orgeltyp – wie wir ihn auch in Großrudestedt finden – wird auf ein Crescendo von feinsten, zurückhaltenden Klangfarben bis zum grandiosen Tutti großer Wert gelegt, wobei ein großzügig berechnendes Maß an Grundstimmen für den Bassbereich eingeplant wurde.
Die weitere Entwicklung im Orgelbau nach dem I. Weltkrieg orientierte sich wieder mehr am Orgelideal vor dem 19. Jahrhundert. Diese Neuorientierung, die auch Oscar Walcker mit dem Bau einer Praetoriusorgel nach Freiburg angestoßen hatte, setzte besonders nach dem II. Weltkrieg in Bezug auf ihren Klang vielen romantischen Orgeln in Deutschland nach deren Restaurierung negativ zu.
Deshalb wird heute jede noch original erhaltene Orgel aus der Zeit vor 1914 unter besonderen Schutz gestellt. Dazu gehört auch die Walcker-Orgel in Großrudestedt. Es ist ein Glücksfall, der uns – nach ihrer Restaurierung – wieder die warmen Klänge dieser Zeit in Erinnerung bringen wird.
Gerhard Walcker-Mayer
Die Orgel ist ohne Zweifel das größte, das kühnste und das herrlichste aller von menschlichem Geist erschaffenen Instrumente, Sie ist ein ganzes Orchester, von dem eine geschickte Hand alles verlangen, auf dem sie alles ausführen kann“.
Zukunftsmusik
So könnte unsere Großrudestedter Orgel zukünftig klingen.